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Menschen 10.08.2023

Mobilität neu denken

Von der Tankstelle zum Mobility Hub

 

Die Themen Nachhaltigkeit, Energiewende und Gesundheit werden im Alltag vieler Menschen immer wichtiger. Das verändert auch das Geschäft an der Tankstelle. Im rheinländischen Bornheim kann man sich heute schon anschauen, wie die Zukunft der Branche aussehen wird.

Es ist die Ruhe vor dem Sturm: Gerd Assenmacher wirft einen Blick auf die Uhr und läuft hinter die Theke, hin zur schwarz glänzenden Kaffeemaschine. Zeit für einen schnellen Cappuccino, dann geht die Arbeit weiter. Es ist kurz nach elf Uhr an diesem Donnerstagvormittag im Frühling. Die Tasse in der Hand lässt Assenmacher seinen Blick über den Raum schweifen. Gleich werden die Kund:innen hier Schlange stehen. „Morgens zwischen sieben und acht Uhr herrscht bei uns der größte Betrieb und dann natürlich wieder zur Mittagszeit.“ Gerd Assenmacher, kurze graue Haare, ganz in Schwarz gekleidet, leitet die Westfalen Tankstelle im nordrhein-westfälischen Bornheim. Sie liegt direkt an der Autobahn 555 zwischen Köln und Bonn. Der Tankstellen-Betreiber ist ein alter Hase im Tankstellen-Geschäft. Mit 30 übernahm er die Leitung einer Autobahnraststätte im nahe gelegenen Frechen. Nach einigen Jahren ging er zu einem großen Ölkonzern, pachtete 20 Jahre lang zwei Tankstellen, bevor er 2007 dann zu Westfalen wechselte. „Das ist meine Welt“, sagt der 63 Jahre alte Rheinländer. „Ich habe es nie bereut, in diese Branche gegangen zu sein.“ Die Tankstelle in Bornheim führt er mittlerweile im 14. Jahr. Als Westfalen vor zwei Jahren den Vorschlag machte, die Station zu modernisieren und zu einem sogenannten Mobility Hub umzubauen, war Assenmacher zunächst wenig begeistert. Ein Umbau bedeutet Dreck, Staub und Stress.

Assenmacher machte trotzdem mit – auch aus Überzeugung, denn er beobachtet die Veränderung in der Branche schon länger: „Wir müssen uns weiterentwickeln, die Anforderungen der Kunden sind andere geworden, das Tanken steht längst nicht mehr im Mittelpunkt.“ Gerd Assenmacher ist mittlerweile froh, sich auf das Experiment eingelassen zu haben, sagt er. Das neue, moderne Erscheinungsbild der Station, in Holz- und Steinoptik gehalten, komme sehr gut bei den Kund:innen an. Die Außenfassade des Gebäudes wurde mit Holz verkleidet, die Farben im Inneren sind wärmer als zuvor, vor allem die Café-Ecke wirkt gemütlich, von den Decken hängen Lampen im angesagten Industrie-Design. „Früher herrschte hier eine eher kalte Tankstellen-Atmosphäre“, sagt Assenmacher. „Jetzt halten sich alle hier viel lieber auf, das gilt für Besucher genauso wie für die Mitarbeiterinnen. Und gerade für unsere Elektroauto- Kundinnen und -Kunden ist das wichtig, weil sie ja längere Wartezeiten einkalkulieren müssen.“

Eine dieser Kundinnen ist Alexandra Roeske. Die 43-Jährige ist als selbstständige Unternehmensberaterin viel unterwegs. Fast täglich lädt sie ihr Auto an Assenmachers Tankstelle in Bornheim auf. Gerade steht ihr Tesla draußen auf dem Parkplatz. Alexandra Roeske hat es sich drinnen an einem der Stehtische mit einem Kaffee gemütlich gemacht. „Der ist hier besonders lecker“, sagt sie und zeigt auf ihren Latte Macchiato. „Aber nicht nur deshalb komme ich regelmäßig, sondern auch wegen der netten Mitarbeiterinnen und der guten Stimmung, die hier herrscht. Wenn man die Damen hinter der Theke fragen würde, würden die wahrscheinlich sagen, dass das hier mein zweites Wohnzimmer ist.“

Oase der Ruhe 

Hier trifft sie immer jemanden für ein kleines Pläuschchen. Ein älterer Herr kommt zu ihrem Tisch: „Na, wie isset?“, grüßt sie im fröhlichen rheinischen Sing-Sang. Man kennt sich, man mag sich. „Wir haben sehr viele Stammkunden“, erzählt Assenmacher. Vor allem das umfangreiche Angebot von Kaffeespezialitäten der Hausmarke Alvore und das frisch vor Ort zubereitete Essen locken die Gäste. Und das, obwohl sich in der nahen Umgebung eine Reihe anderer Restaurants befindet. Das Sortiment ist groß. Schnitzel mit Pommes, Chicken-Curry-Burger und gefüllte Berliner zählen zu den Favoriten der Gäste. Jeden Monat testet das Team neue Kreationen – was gut ankommt, wird dauerhaft übernommen. Um auf die steigende Nachfrage nach gesundem Essen einzugehen, werden in Bornheim mittlerweile auch frische Salat-Bowls angeboten. „Wir haben mittlerweile einen so guten Ruf, dass sogar die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der umliegenden Restaurants zu uns kommen“, schmunzelt der Tankstellen-Betreiber. Erfahrung im Food-Bereich hat Assenmacher schon in seiner Zeit als Geschäftsführer einer Autobahnraststätte sammeln können. „Und das Thema wird immer wichtiger“, glaubt er. „Die Tankstelle der Zukunft ist ein sozialer Treffpunkt.“

Das zeigen auch Studien: Vor allem in ländlichen Regionen würden Tankstellen seit einigen Jahren immer mehr zu Orten des Austauschs, schreibt der österreichische Völkerkundler Helmut Eberhart von der Karl-Franzens-Universität Graz in einer seiner Untersuchungen. Galten Tankstellen früher als „Nicht-Ort“, ein ungreifbarer, identitätsloser Platz für Durchreisende, ähnlich wie Autobahnraststätten, wird dort heute nicht mehr nur Treibstoff nachgefüllt. „Sie erfüllen vielmehr dieselbe Funktion, wie sie früher Gaststätten hatten: Sie sind ein Platz des geselligen Verweilens. Hier verschwimmen soziale Unterschiede und treten in den Hintergrund“, so Eberhart. Die Folge sei nicht zuletzt ein enges Vertrauensverhältnis zwischen Kund:innen und Personal. 

Kaffee und Plausch

Mittlerweile ist es Mittag geworden. Durch die Fensterscheibe hinter Assenmacher sieht man einen großen Lastwagen vorfahren. Aus dem Fahrerhaus steigt Stefan Marx. Der 37-Jährige arbeitet für einen Obsthof in der Nähe und hat Äpfel zum Großmarkt gefahren. Jetzt ist er auf dem Weg zum gemeinsamen Mittagessen mit seiner Chefin. Als er zum Bezahlen die Tankstelle betritt, rufen die Mitarbeiterinnen: „Na, hast du uns was mitgebracht?“ Doch diesmal muss Stefan Marx die Damen enttäuschen. Beim nächsten Mal wieder, verspricht er lächelnd. Seinen Kaffee – wie üblich mit viel Milch – bekommt er dennoch. Weil in Bornheim Wert auf das Thema Nachhaltigkeit gelegt wird, servieren die Mitarbeiterinnen den Kaffee im Keramikbecher. Wer sein Heißgetränk mitnehmen möchte, bekommt einen wiederverwendbaren Becher. „Wir merken, dass unsere Kundinnen und Kunden umweltbewusster werden, darum setzen wir auf Mehrweglösungen“, erklärt Assenmacher. Im Laden wird es voll. An den Kassen bilden sich Schlangen, EC-Karten wandern zum Lesegerät, belegte Brötchen werden in Tüten gepackt, Würstchen warm gemacht, Zigaretten aus dem Schrank an der Wand genommen. Janina Bether und ihre Kolleginnen bringt der Andrang nicht aus der Ruhe, sie sind ein eingespieltes Team. Die meisten von ihnen sind schon seit Jahren dabei. So weiß die eine, was die andere braucht – ganz ohne Worte. 

An einem der kleinen Tische lässt sich jetzt Michael Risch nieder. Er ist Schulbusfahrer und gönnt sich seine wohlverdiente Pause. Um 13 Uhr sind die neun Schüler, die er täglich von seinem Heimatort Wachtberg nach Bornheim fährt, mit dem Unterricht fertig. So lange erledigt er noch Papierkram – Listen ausfüllen, Zettel unterschreiben. „Ich komme mindestens einmal die Woche her“, erzählt er und blättert in der roten Mappe, die er vor sich auf den Tisch gelegt hat. Ein Kaffee und eine Leberkäs-Semmel – so lässt es sich arbeiten. Michael Risch lobt Assenmachers Tankstelle: „Alles ist sauber, frisch und lecker. Im Sommer sitze ich auch gerne draußen auf der Terrasse in der Sonne.“ Assenmacher freut sich über das Kompliment des Stammkunden, denn aus Michael Rischs Mund hat es noch mal eine besondere Bedeutung – wenn er nicht gerade Schulbus fährt, betreibt der 57-Jährige gemeinsam mit seiner Frau eine Gaststätte. 

Seit das Food-Geschäft so gut läuft, kann sich Gerd Assenmacher auch auf weitere Projekte konzentrieren. Vor allem die Erweiterung des Angebots alternativer Kraftstoffe ist ihm wichtig. „Die Bedeutung von Benzin und Diesel wird in den nächsten Jahren kontinuierlich abnehmen“, ist er sich sicher. „Darauf müssen wir reagieren.“ Prognosen zufolge wird sich deren Absatz bis 2030 auf nur noch zwei Drittel bis die Hälfte des heutigen Volumens belaufen. Nach Planung der EU-Kommission werden fossile Energieträger dann ab 2035 ganz aus unserem Alltag verbannt. In Bornheim gibt es darum bereits eine Ladesäule mit zwei Ladeplätzen für Elektroautos. An anderen Stationen der Westfalen Gruppe können die Kund:innen schon Wasserstoff und Bio-Erdgas (CNG) tanken. Bereits im Jahr 2030 sollen die Mobility Hubs mehr als 50 Prozent ihres Ertrags mit den neuen Antriebsenergien erwirtschaften. Assenmacher will die Herausforderung annehmen: „Wir bleiben immer in Bewegung, so muss es sein.“  


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