Der eine ist 50, kommt aus Südtirol, hat viel Erfahrung und führt als Vorstandsvorsitzender die Westfalen-Gruppe mit 2 200 Mitarbeitenden. Die anderen beiden sind 29 und 25 Jahre alt, stammen aus dem Münsterland und arbeiten bei Westfalen als IT-Prozessmanager und als Projektmanagerin im Business Center des Geschäftsbereichs Industrial Gases & Services. Zwischen ihnen: drei Hierarchiestufen.
„Lernpartnerschaft“ heißt die Idee, durch die sich Westfalen-Vorstandsvorsitzender Dr. Thomas Perkmann, Marco Hof und Madita Renzewitz seit rund einem Jahr regelmäßig zum gemeinsamen Austausch treffen. Es geht darum, voneinander zu lernen, einen Perspektivwechsel einzunehmen und ein besseres Verständnis füreinander zu erreichen. Im Interview berichten die drei über ein spannendes Jahr und ziehen Bilanz.
Herr Dr. Perkmann, seit rund einem Jahr haben Sie mit Madita Renzewitz und Marco Hof eine Lernpartnerschaft. Wie kam es dazu?
Perkmann: Ich bin grundsätzlich ein Mensch, dem es wichtig ist, Neues zu lernen und zu erfahren. Und gerade als CEO ist mir irgendwann aufgefallen, dass ich aufgrund der Hierarchie eigentlich immer mit den gleichen Leuten spreche, die mir oft auch das gleiche erzählen (lacht). Ich hatte das Gefühl, dass es eine Bereicherung für unser Unternehmen und für mich persönlich wäre, mal die Perspektive zu wechseln.
Hof: Mich hat dann die Personalabteilung gefragt, ob ich generell Lust auf eine Lernpartnerschaft hätte. Allerdings hat man mir erstmal verschwiegen, um wen es sich handelt (lacht). Aber jetzt bin ich froh, dass ich die Chance hatte, mich mit dem CEO auszutauschen.
Renzewitz: Ehrlicherweise dachte ich erstmal „Warum denn ich?“ (lacht). Danach habe ich mich dann aber echt gefreut.
Eine Lernpartnerschaft mit dem Vorstandsvorsitzenden…Hattet ihr, bevor es los ging, nicht auch ein bisschen Angst vor der Hierarchie?
Hof: Ja, natürlich waren wir am Anfang ein bisschen aufgeregt. Wir wussten ja nicht genau, was auf uns zukommt. Thomas hat uns dann aber sofort das Du angeboten. Natürlich ist der Austausch etwas Besonderes. Ich habe in meinem Freundeskreis keine CEOs.
Perkmann: Ich habe übrigens auch keine IT-Prozessmanager oder Projektmanagerinnen in meinem Freundeskreis (alle lachen).
Renzewitz: Wir haben uns auch weniger über private Dinge ausgetauscht, sondern jobbezogen. Ich bin eigentlich so, dass ich keine große Angst vor Hierarchien habe. Ich denke „das sind auch nur Menschen“. Wir hatten beide immer das Gefühl, dass wir mit Thomas ehrlich und offen reden können.
Herr Dr. Perkmann, Sie haben als CEO naturgemäß viele Termine – Warum war es Ihnen trotzdem wichtig, sich Zeit für die Lernpartnerschaft zu nehmen?
Perkmann: Ich möchte verstehen, wie die jungen Talente unser Unternehmen wahrnehmen. Was treibt sie an? Welche Ideen haben sie? Und wo werden sie gehört und wo nicht? Als CEO bekommt man auch aufgrund der Position oft gefilterte Informationen, man kann nicht immer ganz nah an der Basis sein. Das wollte ich aufbrechen.
Hof: Aber Thomas hat selten nach Hintergründen gebohrt. Wir haben zu bestimmten Themen einfach unsere Sichtweise geschildert und er hat zugehört.
Perkmann: Das würde auch nicht funktionieren und außerdem würde ich meine Lernpartner damit in eine schwierige Situation bringen. Mich interessiert vor allem die Perspektive der beiden.
Renzewitz: Und auch wenn wir mal unterschiedlicher Meinung waren, war das kein Problem. Das kann man dann auch einfach mal so stehen lassen und bereichert den Austausch.
Um welche Themen geht es bei den regelmäßigen Austauschterminen?
Hof: Ich habe viele Fragen gestellt, vor allem zur Herangehensweise an bestimmte Dinge. Ich glaube, ich habe gelernt, die richtigen Fragen zu stellen, die mich weiterbringen. Außerdem haben wir viel über die Westfalen Vision gesprochen.
Renzewitz: Wir haben auch über die Mitarbeitenden-Befragung oder Simpli4 gesprochen. Und über Fragen der persönlichen Weiterentwicklung. Für mich war da der Rat von Thomas durchaus oft hilfreich.
Perkmann: Mich hat vor allem interessiert, wie seht ihr unsere Westfalen Zukunft und die Transformation? Oder wie beurteilt ihr unser Talentmanagement? Und man lernt ja auch durch die Fragen, die man selbst bekommt. Was beschäftigt unsere jungen Mitarbeitenden, welche Unternehmensbotschaften sind angekommen, welche nicht…
Spielen wir mal mit Vorurteilen: Die junge Generation ist faul und stellt Work-Life-Balance in den Vordergrund, die ältere Generation macht sich kaputt und ihr geht es nur um Geld und Macht…Eure Meinung nach einem Jahr gemeinsamer Lernpartnerschaft dazu?
Hof: Natürlich ticken wir als jüngere Generation etwas anders. Aber die Zeiten sind auch andere. Früher war vielleicht eine 60 Stunden Woche normal, bei uns sind es jetzt 37,5. Es geht aus meiner Sicht aber nicht um die Stunden. Es geht darum, Vollgas zu geben, in der Zeit, wo wir arbeiten. Ich glaube, unsere Generation tut das und hat richtig Bock etwas zu bewegen.
Perkmann: Die Vorurteile stimmen so natürlich nicht. Wir haben aber als unterschiedliche Generationen einen unterschiedlichen Hintergrund. Ich zum Beispiel habe in verschiedenen Ländern gearbeitet. Und wenn man in Asien oder Lateinamerika ist, ist der materielle Erfolg dort auch bei jungen Leuten noch wichtiger. Dieser Unterschied kommt sicherlich daher, dass viele bei uns aus gesicherteren Verhältnissen kommen, Geld ist in gewissem Maße schon da und damit nicht mehr so wichtig und dann tritt eben das Thema Freizeit stärker auf den Plan.
Renzewitz: Ich kann nur für mich sprechen. Ich arbeite wirklich gerne, wenn ich weiß, warum und wofür ich das tue und wenn ich einen Mehrwert auch fürs Unternehmen damit verbinde. Schlussendlich geht es aus meiner Sicht aber nicht um die geleisteten Stunden, sondern um die Frage, wie man sein Leben gestalten möchte. Und das ist auch legitim.
Welche Gemeinsamkeiten gibt es zwischen euch/Ihnen? Welche Unterschiede?
Perkmann: Marco, Madita und ich sind Lerner. Wir sind neugierig und bilden uns gerne weiter. Wir wollen was erreichen.
Hof: Das stimmt. Ich habe aber auch Unterschiede wahrgenommen. Thomas denkt analytischer als ich. Er ist sehr besonnen, trifft selten Bauchentscheidungen und macht sich vorher schlau. Ich bin da noch eher intuitiver unterwegs.
Perkmann: Ja, auch Madita geht Dinge anders an als ich und kommt trotzdem zum Erfolg. Das war spannend für mich.
Renzewitz: Ich versuche mich meistens in andere hineinzuversetzen. Ein harmonisches Miteinander im Team ist mir wichtig, weil wir dann besser zusammenarbeiten können. Und ich bin ein sehr geduldiger Mensch. Thomas ist generell zahlenorientierter. Aber das muss man als CEO wahrscheinlich auch sein.
Was war das Spannendste, was ihr voneinander gelernt haben?
Perkmann: Ich verstehe jetzt besser, wie die IT funktioniert (lacht). Und ich habe gelernt, wie unsere Zukunftsvision von jüngeren Menschen gesehen wird, nämlich als der richtige Weg.
Hof: Ich habe oft Fragen gestellt, wie der Job des CEO so ist und habe da viele Einblicke bekommen. Ich verstehe jetzt besser, dass das eine extrem große Verantwortung ist und viel Hingabe notwendig macht.
Renzewitz: Ich fand es interessant, die berufliche Entwicklung von Thomas zu erfahren und zu überlegen, was kann ich für mich daraus ableiten. Außerdem habe ich für mich mitgenommen, dass es okay ist, wenn ich auch mal anderer Meinung bin als der CEO. Das darf so sein, trotz der Hierarchie.
Abschließend – Lernpartnerschaften bei Westfalen: Was bringt das für unser Unternehmen?
Perkmann: Es war für mich ja erstmal ein Experiment. Und das ist voll gelungen. Zukünftig würde ich gerne nicht nur das Generationen-Thema in den Blick nehmen, sondern auch unsere Internationalität, das heißt die nächste Lernpartnerschaft gerne mit Mitarbeitenden machen, die aus unseren Landesgesellschaften kommen. Generell helfen Lernpartnerschaften sehr, auch mal über den Tellerrand zu schauen.
Renzewitz: Mit der Lernpartnerschaft bricht man auch ein bisschen die Hierarchien auf. Es ist wichtig, sich auszutauschen, um Nahbarkeit zu schaffen, auch damit man ans Ziel kommt. Auch von anderen Kolleginnen und Kollegen außerhalb des eigenen Teams habe ich viel gelernt.
Hof: Ich kann das auch nur empfehlen. Der Austausch war spannend und sehr hilfreich. Ich würde mich jederzeit wieder für eine Lernpartnerschaft melden. Auch wenn es nicht der CEO ist…(lacht)
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