Etwa 40 km westlich von Enschede liegt die kleine niederländische Gemeinde Lochem. Den meisten Menschen außerhalb der Niederlande wird dieser Ort, der aktuell rund 35.000 Einwohner zählt, bis vor kurzem nicht viel gesagt haben. Seitdem Lochem jedoch kürzlich Teil eines weltweit einzigartigen Pilotprojekts geworden ist, dürften nun viele gespannt ihren Blick auf die Gemeinde richten. So werden dort seit dem 1. Dezember 2022 erstmals elf Wohnhäuser über ein bestehendes Erdgasnetz mit Wasserstoff beheizt. Bei dem Vorhaben, das über einen Zeitraum von drei Jahren geht, untersucht der niederländische Gas- und Stromnetzbetreiber Alliander auf Wunsch der Bewohner der denkmalgeschützten Gebäude, inwieweit Wasserstoff sich zur Beheizung von Häusern eignet. Mit beteiligt ist auch die Westfalen Gruppe, deren Tochtergesellschaft Westfalen Gassen Nederland eine Anlage konzipiert und errichtet hat, die den Wasserstoff in das Erdgasnetz einführt.
Der Umstellung auf Wasserstoff gingen in Lochem umfangreiche Vorbereitungen voraus. So zeichnet sich die von Westfalen errichtete Anlage nicht nur für die Einspeisung des Wasserstoffs ins Erdgasnetz verantwortlich, sondern auch für die Regelung des Drucks. Wasserstoff ist von Natur aus geruchslos, daher wurde dieser aus Sicherheitsgründen mit einem Geruchsstoff versehen – ein Vorgang, der auch als Odorierung bezeichnet wird. In den Häusern selbst wich der vorhandene Heizkessel einem Wasserstoff-Brennwertkessel, den die Remeha GmbH entwickelt hat. Zusätzlich verlegte Gasleistungen in der Straße stellen sicher, dass die nicht am Pilotprojekt teilnehmenden Häuser weiterhin mit Erdgas versorgt werden können. „Wir stehen gerne an der Spitze neuer Entwicklungen, insbesondere im Bereich Wasserstoff, und deshalb passt dieses Pilotprojekt auch gut zu Westfalen. Mit unserem Fachwissen über den sicheren Transport und die Speicherung von Wasserstoff können wir einen wertvollen Beitrag zur Entwicklung neuer Optionen für die Energiewende leisten“, erklärt Antoine de Boo, Leiter des Clusters Benelux bei Westfalen.
Bislang gibt es weder bei der Verwendung von Wasserstoff in Wohnhäusern noch in einem bestehenden Gasnetz ausreichend Praxiserfahrungen. Dabei kann Wasserstoff insbesondere für Häuser eine Alternative sein, die schwer zu isolieren sind und für die zum Beispiel elektrische Wärmepumpen keine angemessene Lösung darstellen. Auch Wohnviertel, in denen sich kein Nah- oder Fernwärmenetz aufbauen lässt, können hierfür in Frage kommen. „Wasserstoff spielt beim Umstieg auf umweltfreundliche Energien eine zunehmend wichtige Rolle. In Lochem an so einem einzigartigen Projekt beteiligt zu sein, freut uns natürlich besonders. Es stellt einen weiteren wichtigen Schritt dar, um das große Potenzial hinter Wasserstoff in der Realität zu erproben. Das gilt für den Wärmebereich genauso wie für den Verkehrssektor, wo wir bei Westfalen zurzeit etwa den Serien-Einsatz einer mobilen Wasserstoff-Tankstelle für Nutzfahrzeuge vorbereiten“, so Dr. Nicolas Dohn, Wasserstoff-Manager bei Westfalen.
Neben Alliander, Westfalen Gassen Nederland und Remeha sind ebenso die Bürgerenergiegenossenschaft LochemEnergie, das Installationsunternehmen Kimenai Installatiebeheer sowie eine ortsansässige Interessengemeinschaft an dem Pilotprojekt beteiligt. Ermöglicht wird es durch die Gemeinde Lochem und die Provinz Gelderland.
Ein erster Austausch zwischen allen Beteiligten fand Ende Januar im Rahmen eines Wasserstoff-Symposiums mit rund 200 Gästen statt, bei dem auch nochmal die Einzelheiten des Projekts präsentiert wurden. Dabei stellten die Projektverantwortlichen in einer ersten Zwischenbilanz fest, dass das Vorhaben nicht zuletzt aufgrund einer ausführlichen Planung gut angelaufen ist und demnächst noch ein weiteres Wohnhaus an das mit Wasserstoff betriebene Netz angeschlossen wird, das die Pilotgruppe vervollständigt.
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